Mittwoch, 2. Juli 2008

Auf dem Weg zum guten Bartender...

Am Montag war ich in Niedersachsen, ganz weit draußen. Wenn Sie hier von einer Bar sprechen, glaubt ein Teil der Ortsansässigen, Sie sprechen von einem "Etablissement". Gin / Tonic werden Sie hier auf
fast keiner Getränkekarte finden. Dafür trinkt man Bier, zwischen dem "inbev Allerweltsbräu" findet sich gelegentlich das Produkt aus regionalen Brauereien im Glas. Glücklicherweise verstehen die Wirte
hier viel vom Bier zapfen und schenken Ihnen das kühle Helle in ein kleines 0,2 Glas ein - stets frisch, eiskalt und mit einer fantastischen Blume.

Neben gut gezapftem Bier und kaltem Korn, herzhaftem Essen in viel zu
großen Portionen, erweckte ein anderes "Produkt" das Bartender Auge
in mir. Nein, keine Spezialabfüllung eines seltenen Whiskys oder
eines nicht zu bekommenden Rums. Mich faszinierte an diesem Sommertag
etwas ganz anderes:

Frische Himbeeren...

Und? Mag man nun denken. Was ist dran, an frischen Himbeeren? Ich
weiss nicht ob mein kleines Foto auch nur annähernd die Qualität der
frischen Himbeeren wiedergeben kann. Sie wurden am Morgen bei einem
Obstbauern vor Ort gepflügt, kosteten ganz neben bei gesagt kein
Vermögen und waren so perfekt, das Sie meine ganze Aufmerksamkeit
bekamen. Sie waren groß, fest und im Geschmack unglaublich intensive.
Ich glaube, gerade da ich früher auch ein Restaurant betrieben habe,
ich habe schon das eine oder andere Kilo Himbeeren in meinem Leben
gekauft, aber diese Qualität hatte ich wenn überhaupt schon einmal,
Jahre nicht mehr gesehen.

Ich saß im Schatten großer Eichen, trank ein kühles Bier und naschte
einige Himbeeren (die eigentlich für das Dessert bestimmt waren...).
Dabei drehten sich meine Gedanken rund ums Bartending. Ich musste an
Archim Eberhardt denken, der seiner Zeit über 30 Jahre lang die Old
Fashioned Bar Hamburg geführt hatte, denken. Er hatte es einmal ganz
einfach beschrieben: "Herr Meyer, Zitronen sind gelb....."

Wer einmal bei Ihm war, weiß wovon ich Rede. Seine Zitronen waren
immer perfekt gelb. Es gab NIE eine kleine braune Ecke oder
ähnliches. Wenn man diese Zitronen nur einen Hauch zu lange
anschaute, bestellte man automatisch einen Sour oder einen Fizz. Sie
waren gelber als gelb, Ihnen sprang die Frische aus der Schale!
Ähnlich wie meine Himbeeren. Ich dachte den Nachmittag über an
klassische Cocktails mit Himbeeren. Der legendäre Albemarle Fizz
fiel mir ein, oder der Blinker Cocktail. Ich konnte nicht anders. Auf
dem Heimweg nach Hamburg machte ich den Umweg zum Obsthof. Ich kaufte
drei riesige Schalen dieser Himbeeren und zahlte dafür zusammen
unglaublich günstige sieben Euro irgendwas. Ich muss gestehen eine
Schale überlebte die Fahrt nicht. Mit den zwei anderen machte ich
den Abend über Drinks Empfehlung sozusagen: alte Himbeer Klassiker im
Löwen.

Was mich glückselig machte. Ich fühlte mich wie ein Koch, der das
Geheimnis der frischen und regionalen Küche für sich entdeckt hatte.
Auch meine Gäste machten mich glücklich - den Sie bemerkten diese
außergewöhnlichen Himbeeren und bestätigten mich in meinem Gefühl,
das die guten Dinge oft einfach sind und Gäste schlichte Qualität
durchaus erkennen und schätzen.

Möglichst wenig Zutaten, diese dafür 100 Prozent frisch und
hochwertig ist denke ich die Quintessenz für die Klassische Bar und
den Bartender. Es ist kein Qualitätsversprechen hunderte von
Spirituosen, Säften und Früchten in der Bar zu haben. So wenig wie
möglich, so viel wie nötig, dafür alles in bester Qualität.

Gute Restaurants machen es uns vor. Wenn Sie eine Karte haben, ist
diese oft auf wenige Gerichte beschränkt. Die "normale" Barkarte in
der deutschen Durchschnittsbar hingegen spricht eine andere Sprache.
Hundert und mehr Drinks sollen für Qualität bürgen und warnen den
Profitrinker doch eher, dieses Haus kritisch zu beobachten. A La
minute gepresster Zitronensaft verspricht deutlich mehr Qualität als
jeder Guaven, Mango oder sonstwas Saft, von Bionade und anderen
Zuckerwassern ganz zu schweigen. Ich erzähle Ihnen und mir nichts
neues mit meinen perfekten Himbeeren. Es ist nur schön, gelegentlich
an die kleinen Details erinnert zu werden. Ein gutes Backbord macht
noch keinen guten Bartender, die größte Auswahl der Stadt erst Recht
nicht. Eine Handvoll frischer Zitronen und sagen wir einige
Himbeeren hingegen, können Sie zum besten Bartender weit und breit
machen.

2 Kommentare:

B hat gesagt…

Bravo Herr Meyer, ich kann mich ihnen nur anschliessen, sie kenne ja meine berufliche Leidenschaft (das Arbeiten hinter der Bar wie ein ausgebildeter Koch) nur zu gut;-)
Frische, regionale Produkte, eine saisonale Auswahl, hoher Qualitätsstandard...nicht nur die Zukunft in den Küchen dieser Welt!

Helmut hat gesagt…

Herr Meyer, da ist Ihnen wieder mal ein wahrhaft goldener Text gelungen! Gratulation! Ich befürchte nur, dass ich Sie am 7.7. mit Mampe Halb und Halb wieder auf den Boden urbaner Tatsachen zurückholen muss. ;-)