Molekulare Manipulationen
Vor kurzem gab es im Forum des Mixology Magazins ein neuen Thread zu einem meiner Lieblingsthemen : „Molekulare Mixologie“. User „tutimaioli“ gab in seinem ersten Post schlicht und einfach bekannt: „Die Autorin Gabriele Randel hat ein Buch geschrieben: "Molekulare Cocktails", Verlag Neue Umschau, 119 Seiten.“
Nun mag man es glauben oder nicht, dieses Buch steht in einem meiner Bücherregale. Gut, ich will ehrlich bleiben. Sollten Sie jemals bei mir zu Besuch sein, würden Sie es nicht sofort finden. Natürlich ist die „Sammlung“ so drapiert, das Ihnen „zufällig“ auf Augenhöhe die von Harry Craddock signierte Ausgabe des Savoy Cocktailbooks ins Auge fällt - vielleicht auch eher ein Embury oder ein Frank Meier.
Das von Frau Randel geschriebene Buch findet sich zufällig auf Bodenhöhe, unten rechts. Irgendwer hat eine Ausgabe von Lothar Kolmers „Die Kunst der Manipulation“ davor gestellt. So ist es nur schwer zu finden, und wer mich kennt wird es verstehen. Schließlich will man keine Gerüchte aufkommen lassen -> „Molekular Meyer“ lässt grüßen.
„Schuld“ an dem Fehlkauf dieses nicht empfehlenswerten Buches über Molekulare Cocktails ist eigentlich ein Artikel im Handelsblatt, Mitte Februar dieses Jahres.
„Löffelfertig aus dem Mixer“ von Angelika Arians-Derix, erschienen am 24. Feburar 2008.
Dieser Artikel erregte durchaus mein Interesse.
„Andere trauen sich nicht heran, weil sie in den Pülverchen, die für das Mixen der Molekularcocktails nötig sind, reine Chemie vermuten – was nicht zutrifft. Denn bei den zur Herstellung der neuen Cocktails notwendigen Formgeber handelt es sich um Gelier- und Verdickungsmittel, die aus Algen, Seegräsern, Pflanzenfasern oder Samen gewonnen werden – natürliche Produkte ohne chemische Zusatzstoffe, die geschmacksneutral und farblos sind.
Wie lange der Molekulartrend trägt, wird die Zeit zeigen. Insider Heiko Antoniewicz räumt jedenfalls mit dem Vorurteil auf, dass die skurrilen Drinks nur von Barprofis fabriziert werden können. Der einst besternte Bergkamener Koch, eine der deutschen Koryphäen in Sachen Molekularküche, demonstriert auf Veranstaltungen deren Herstellung. „Die notwendigen Additive sind im Handel erhältlich, und die Methoden lassen sich spielend leicht erlernen. Mit etwas Übung können auch Amateurmixer in kurzer Zeit ganz erstaunliche Ergebnisse erzielen“, so Antoniewicz.“
So heißt es unter anderem in dem Artikel, und es erinnerte mich unfreiwillig an die Werbetextsprache der Pulverhersteller. Mich überkam der unbestätigte Verdacht eines Produktplacements im alt-ehrwürdigen Handelsblatt.
„Nun muss ja nicht jeder unreflektiert schlucken, was einem die von molekularen Methoden beseelten Barkeeper vorsetzen. Skeptiker in Weblogs lehnen mit dem Tenor „Die wollen ja nur spielen“ die skurrilen Cocktails rigoros ab“
heißt es ebenfalls im Artikel und dieser Sache musste ich auf den Grund gehen. Schön das hier von Kritischen Weblogs die Rede ist, unverschämt nur, das die vielschichtige und berechtigte Kritik an Molecularer Mixology als „Die wollen ja nur spielen“ abgestraft wurde.
Frau Angelika Arians-Derix wurde nun meine uneingeschänkte Aufmerksamkeit gewidmet, und das gerade publizierende Persönlichkeiten Ihre Googlesichere Weste abgelegt haben, wurde mir recht schnell das eine oder andere Detail klar. Doch will man nicht vorschnell urteilen und so schrieb ich Ihr eine Email:
„Hallo Frau Arians Derix,
mit Interesse habe ich Ihren Artikel im Handelsblatt gelesen:
Erlauben Sie mir eine kurze Frage: Welche Weblog sind mit dieser Aussage "Skeptiker in Weblogs lehnen mit dem Tenor „Die wollen ja nur spielen“ die skurrilen Cocktails rigoros ab." gemeint?
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Meyer
Hamburg“
Die Antwort kam promt:
„...Hallo Herr Meyer,
danke für Ihre mail. Ich nehme ja an, dass Sie der Herr Meyer sind, der das Thema Molekulare Cocktails im Web sehr rege diskutiert. Was ich sehr aufmerksam verfolge und sehr interessant finde. Dem Tenor meines (leider auf die Hälfte heruntergekürzten) Artikels können Sie ja entnehmen, dass ich der molekularen Gastronomie gegenüber recht aufgeschlossen bin - sowohl was das Kochen mit molekularen Techniken wie dem "Molekularen Mixen" betrifft. Ich bin allerdings auch der Meinung, dass gerade beim Mixen an den Rezepturen noch viel getan werden muss. Und dass Experimente mit Stickstoff völlig untauglich für Bars sind.
Ich nehme aber an, Sie wollen wissen, warum dort steht "unter dem Tenor "Die wollen ja nur spielen".....Wie gesagt: Der Artikel ist auf die Hälfte gekürzt worden und in der Urfassung bin ich auf die Gegenargumente detaillierter eingegangen. Aber so unglücklich ich mit der Kürzung bin, so ist doch wenigsten nicht herausgestrichen worden, dass es Gegner der Molecular Mixology gibt. Dass eben nicht alle diese Art der Cocktails "unreflektiert schlucken".
Ich hoffe, Ihnen mit der Antwort gedient zu haben und hoffe, dass Sie weiterhin so rege dieses Thema diskutieren - nicht zuletzt dieser Diskussion wegen ist das Thema einfach spannend...“
Nun gut, dachte ich: eins zu null für Frau Arians Derix. Für einen gekürzten Artikel kann Sie nun wirklich nichts und somit werd ich wohl damit leben müssen, das hier Kritiker der Molecular Mixology als kleine dumme Langweiler dargestellt werden.
Bei meiner „Google research“ zu dem Thema, war mir unter anderem ein Artikel von Prinz Magazin 12/07 aufgefallen.
MOLEKULARKÜCHE REVOLUTION IN DÜSSELDORFER KÜCHEN
Der Text ähnelt ein wenig dem des Handelsblatt, lobt Pulverschnee in höchsten Tönen und gibt am Ende in einem INFO Kasten Preis
„MOLECULAR MIXOLOGY - PRINZ verlost 3 Bücher „Molekulare Cocktails“ Lust darauf, selber molekulare Cocktails zu fabrizieren? Kein Problem! Experimentierfreudige
finden im Buch von Gabriele Randel die Grundtechniken und über 50 Cocktailrezepturen.
Kreiert wurden sie von bekannten Barkeepern wie dem Düsseldorfer
Chris Hilger von der „Bar Alexander“ und PRINZ-Mitarbeiterin Angelika Arians-Derix. Das Buch ist sowohl solo wie auch mit einem „Baukasten“
erhältlich, dass die nötigen Ingredienzen enthält. Damit kann man dann sofort in der Hausbar loslegen.
Gabriele Randel: „Molekulare Cocktails“, Neuer Umschau Buchverlag 2007, ISBN 978-3-86528-640-6,
14,90 Euro, Buch mit Baukasten ISBN 978-3-86528-649-92007, 49,90 Euro"
Frau Derix hat an Frau Randels Buch mitgewirkt. Langsam wurde es interessant. Dazu muss man folgendes wissen. Im Juni 2007 wurde ich von Frau Dr. Randel, Mitarbeiterin der biozoon food innovations gmbh kontaktiert. In Ihrer Email heißt es unter anderem
„ Hallo Jörg Meyer,
auf Anregung von Mike aus der Triobar Berlin nehme ich heute (dann doch endlich) Kontakt zu Ihnen auf. Wir hatten ja so eine kleine Produktpräsentation letzte Woche im KaDeWe, die für uns immerhin soweit erfolgreich war, dass wir einen Einblick in die Welt der Bartender gewinnen konnten und interessante Kontakte geknüpft haben.
Ein wichtiger Kontakt ist nun der zu Mike, der wohl auch schon mit Ihnen zusammen die eine oder andere Idee für einen "Molecular Cocktail" ausgetauscht hat. Wir würden auch sehr gerne mit Ihnen beiden zusammenarbeiten, uns vielleicht mal bei Ihnen in Hamburg treffen und mit unseren Produkten einige Rezepte ausprobieren.
Im Vorfeld möchte ich Sie gerne mit einem Baukasten unserer Produkte bemustern.... "
Überrascht über meine ungeahnte Moleculare Zusammenarbeit mit Moleculare Mike folgten einige Telefonate und es kristallisierte sich heraus, das Frau Randel für die Firma biozoon ein Buch plant, in dem dem geneigtem Anwender Ideen und Handhabung zum Umgang mit den biozoon Pülverchen gereicht werden.
Nach kurzen hin und her habe ich dankend abgelehnt
“Kenne deinen Feind und kenne dich selbst, und in hundert Schlachten wirst du nie in Gefahr geraten.“ Sun Tsu - ich kam nicht umhin, ich kaufte mir Frau Randels Buch.
Das Buch in Kombination mit der vorangegangen Google Research war eine echte Offenbarung für Mich - Wer Moleculare Cocktails / Moleculare Mixology in Deutschland meint, meint meiner Meinung nach Biozoon.
Ich möchte der Autorin Frau Randel meinen ehrlichen gemeinten und tiefen Respekt aussprechen. Das Buch ist ein Meisterstück des Marketings.
In der Regel ist der Weg doch folgender: Sie haben einen Chemiebaukasten zu verkaufen. 50 Gramm von diesem Pulver, 50 Gramm von diesem. Der Preis für Ihre Pulver entspricht, auf Gramm gerechnet, ungefähr dem von schlecht gestreckten Kokain.
Jeder normale Marketing Beauftrage würde jetzt folgendes machen. Die Besten Bartender „einkaufen“, für ein Tagessatz von 1000,00 Euro und mehr pro Top Mixologists . Man nimmt den besten Food Fotografen und Food Stylisten und produziert ein schönes Buch über Moleculare Cocktails und deren Herstellung mit Hilfe des zu verkaufenden Chemiebaukastens. Das aufwendig und sorgfältig recherchierte Buch wird ab sofort kostenlos zum Chemiebaukasten dazugeben.
Mein Respekt zolle ich aber folgender Marketingvariante: Sie wollen einen hübsch teuren Chemiebaukasten ans Volk bringen. Auch sie planen ein Buch, gehen aber wie folgt vor: Sie sprechen die besten Bartender an und können diese für ein Buch über Molekulare Cocktails gewinnen. Sie engagieren auch hier sehr gute Fotografen und Stylisten und machen ein wirklich hübsch und aufwendig gestaltetes Buch über die Herstellung Molekularer Cocktails mit Hilfe Ihres Chemiebaukasten. Sie nennen das ganze nur nicht „Werbebroschüre“ sondern „Buch“ und finden einen Verlag, der das ganze für Sie druckt und verlegt. Sie haben nun den großen Vorteil das Sie sogar eine Pressemitteilung herausgeben können .... „neues, erstes Buch über Molekulare Cocktails veröffentlich“ und dieses „Buch“ besprochen wird. Im gesamten Buch, als auch in den Pressemitteilungen lassen Sie lediglich einige Details wegfallen. Sie, als Autorin, arbeiten für die Firma, dessen Produkte in Hochglanz auf mehren Seiten vorgestellt werden. Angenehmer Nebeneffekt: Der Kunde kauft das Buch (nicht Sie haben für Ihre Werbung gezahlt), Die hochkarätigen Mitautoren konnten Sie natürlich, so schätze ich mal, für ein kleines Budget gewinnen -> wer arbeitet nicht gerne an einem Buch mit ? Sie erhalten kostenlose Werbung und PR für Ihre „Buch“ - was Ihnen mit einer Werbebroschüre nie geglückt wäre.
Also Chapeau. Ich bin schwer beeindruckt von diesem Buch und möchte nicht missverstanden werden: Die Drinks sehen toll aus, die mitwirkenden Bartender haben hier in meinen Augen eine gute Arbeit geleistet.
Nur wird hier nicht die Kunst der Molekularen Cocktails besprochen. Hier werden auf mehreren Seiten die Produkte aus dem Hause biozoon vorgestellt und im Anschluss werden ausschließlich Drinks mit Biozoon Produkten vorgestellt. Wenn Sie also Interesse an Biozoon Produkten haben, schicken Sie eine Email an biozoon und bitten und die kostenlose Übersendung der Werbebroschüre „Molekulare Cocktails“ von Frau Dr. Gabriele Randel.
Ich persönlich würde Frau Randel und der Firma biozoon einen Preis für Marketing verleihen - vielleicht kann ein Interessierte Leser diesen Marketing Clou „einreichen“.
Der Preis, der hier für die Journalistische Leistung/Autorentätigkeit verliehen werden sollte, muss wahrscheinlich noch erfunden werden. Jemand eine Idee?
NACHTRAG 18. Juni 2008
Frau Angelika Arians-Derix schickte mir eine Gegendarstellung die ich HIER veröffentlicht habe.