Schön zu lesen, wie Dirk Baranek beim Feinschmeckerblog seinen ehemaligen Arbeitgeber Marcellinos kritisch beleuchtet und aus dem Nähkästchen plaudert...
Schöner aber noch, wie Charles Schumann seinen Preis auf der Preisverleihung in Frage stellt und ENDLICH einmal erwähnt, wie wenig Qualifiziert die meisten der selbsternannten GASTROTESTER in der Regel sind.
Wahre Größe tat Herr Schumann kund, als er über Fehler am eigenen Objekt sprach.Wer viel bewegt, macht auch "Fehler". Für mich ist und bleibt das Schumanns eine der besten Adressen Münchens und Deutschlands. DIE Beste Bar - ist eh ein großer Mumpitz.
Le Lion ist in New Orleans zur "Weltbesten Neueröffnung 2008" gewählt worden und ich bin mir sicher, es lassen sich hunderte Bars finden,die Ihren Job genauso gut oder besser machen. Es war nur gerade kein Jury Mitglied da. Natürlich hat uns dieser Preis unglaublich glücklich und stolz gemacht - andererseits darf man nie vergessen, das so eine Auszeichnung eben "relative" ist und am Ende des Tages nicht wichtig.
Wichtig ist, das der Gast zufrieden das Lokal verlässt. Ebenso wichtig, das es der "richtige" Gast war. Berichterstattung führt zu Gastrotourismus, ohne Sinn und Verstand. Es kommen Gäste, die von der Sache nichts verstehen, aber jetzt gelesen haben, das Sie ein Lokal besuchen sollten.
Ein Erfahrungsbericht:
Vor einigen Abenden brachte mich eine Gruppe beinah um den Verstand, naja, zumindest um die gute Laune. Vier Personen, reserviert zu 22.30 Uhr. Bis 23.00 Uhr "No Show". Ich hab den Tisch vergeben, da wir komplett ausgebucht waren. Um 23.08 klingeln vier Damen und verkünden stolz:
"Wir hatten resserviert, mit 4 Personen, auf den Namen xxx".
"Herzlich willkommen .....ich habe Ihren Tisch vergeben, da wir länger als 30 Minuten auf Sie gewartet haben..."
Großer Aufruhr an der Tür ... das kann nicht sein... und überhaupt... man hätte "so gegen 22.30 bis 23.00 Uhr " reserviert...
Ich liebe diese Argumentatiton. Zum einem, sind wir bei Wochenend Reservierungen immer sehr "zeitsensible", da es glücklicherweise zur Zeit oft gut gefüllt ist. Wir nehmen solche Reservierungen nicht an und bitten die Gäste uns eine genau Zeit mitzuteilen. Wir weisen darauf hin, das wir nach 15/20 Minuten die Tische gegebenen falls vergeben.
Zum anderen hatte die Argumentation der Damen einen besondern Hintergrund - ich selber hatte die Reservierung angenommen - die üblichen Hinweise gegeben - und es wurde ganz sicher zu 22.30 Uhr reserviert.
Nun denn... man will (sollte aber vielleicht...) kein arogant wirkender Gastgeber sein und bittet die Damen nach langer Diskussion herein. Man stellt Sie mitten in den Raum (Sie erinnern sich Herr Heuser?) und drückt Ihnen ein Gläschen "frei" Champagner in die Hand.
Ein 2er Tisch hat gezahlt, ein anderer, leider am anderen Ende, ebenfalls. Man entdeckt zwei gute Stammgäste - weiss um deren Vorliebe für Rose Champagner. Man sieht zwei leere Drinks vor diesen Stammgästen stehen und zählt eins und eins zusmammen. Man eilt an die Bar, schenkt zwei Rose Champagner ein, geht an den Tisch mit den Stammgästen, und entschuldigt sich vielmals für die Störung. Man macht einen Deal- Die Beiden setzen sich um und ich biete zwei Glas Rose Champagner an. Nach einigem hin und her hat man so nun einen vier Tisch frei und platziert die neuen vier Freundinnen an Ihrem Tisch.
Der Spass hat mich bis dato 6 Glas Champagner gekostet - von der Guten Laune und der kurzzeitig hektischen Stimmung im Lokal ganz zu schweigen.
Also, reicht man den somit neu platzierten Damen die Getränke Karte. Nach sehr langem Studium der Karte endlich das Signal - wir "könnten" bestellen. Ich bringe vier Glas Wasser und frage die Bestellung ab.
"Haben Sie Milchkaffee?"
"Bedaure, nein"
" Late Macchiato?"
"Nein, wir servieren Espresso oder Cappucino"
"Aber wenn Sie Cappucino machen, dann könnten Sie doch ..." (Madame muss ein leicht nervöses Zucken an meinem Augen bemerkt haben ) "Gut, Cappucino"
"Danke! Für Sie?"
"Cappuccino..."
"Zwei Cappuccino... für Sie Madame?"
"Ein Glas Prosecco..."
"Bedaure, wir servieren nur Champagner - weiss oder rosé ?"
"Dann nehme ich Wein. Haben Sie Pinot Grigio?"
"Ich kann Ihnen ein Sauvignon aus Italien oder ein Chenin blanc aus Frankreich anbieten..."
"Ich nehme den Italiener..." (Ich frage gar nicht erst ob Glas 0,1 oder 0,2 ... ich buche einfach 0,2 ... die Macht des kleinkarrierten Kellners... pardon .. ich mach sowas nicht oft ... aber manchmal geht es nicht anders -> Selbsterhaltungstrieb)
"Für Sie ?"
"Einen Whiskey Sour"
(Madame hat es geschafft mich kurz sprachlos zu machen. Auf so eine direkte Bestellung war ich nicht mehr vorbereitet)
"Gern, 2 Cappuccino, ein Sauvignon und ein Whisky Sour"
Wir servieren die Drinks nach kurzer Wartezeit. Plötzlich stehen zwei weitere Damen an dem Tisch. Jemand muss die Eingangstür nur angelehnt haben - geklingelt hatten die Damen nicht.
"Wir sind jetzt 6"
"Das sehe ich, aber Sie hatten nur für 4 reserviert...."
Mit den Worten "Ach--- das machen wir schon" quetscht Sich die eine Damen auf die Bank... Die andere nimmt auf der Lehne einens Sessel Platz.
"Madame, dürfte ich Sie bitten, sich nicht auf die Lehnen zu setzen..."
"Aber sie haben ja keinen Platz für mich..." Sie steht von der Lehne auf ... "Wir hätten gerne einen Cappuccino und einen Weisswein, Pinot Grigio"
Ich notiere mit einem kurzem "Gerne" und bestelle Ihr einfach Sauvignon - mit dem Wissen, das diese Welt dadurch nicht einen Deut schlechter wird.
Von der Bar aus sehe ich, wie die Dame wieder auf den Lehnen Platz nimmt - ich denke an Mord.
Die Bar ist sehr voll, wir müssen leider viele Gäste zur "Prime Time" weg schicken.
Um 00.45 kommt das erlösende Signal. "Wir würden gerne zahlen....!"
Ich bringe die Rechnung. Den Ansatz und die Signale des "getrennt zahlen wollens", übersehe ich höflich und gehe einfach wieder. Nach einigen Minuten hat sich ein Betrag in der Rechnungsmappe angefunden. Die Damen sagen: "Kenne Sie das xxxx (angesagter neuer Club, Members only)? Kennen Sie da jemanden? Könnten Sie da anrufen und uns da "rein bringen?"
Mein Gedanke : "Im Leben nicht..." wird von mir durch einige bis dato unbekannte Synapsen zu "oh...leider kenne ich da niemanden " transferiert.
"Schade, wir versuchens trotzdem. Können Sie uns ein Taxi rufen - bitte ein Großraumwagen"
"Das kann am Wochenende bis zu 30 Minuten dauern. xxx ist ca. 7,00 Euro mit dem Taxi entfernt, soll ich Ihnen nicht zwei normale Wagen rufen? Wären sofort da..."
"Nein, fragen Sie doch mal.. wir warten gerne" - "Aber nicht in meiner Bar" - denke ich mir. Ich gehe zum Tresen, nehme das Telefon, täusche ein Gespräch vor, gehe an den Tisch zurück und sage : "Großraumwagen wird mindestens 45 Minuten dauern - lieber doch zwei?".
Es entbrennt eine ernsthafte Diskussion, ob man nicht lieber auf ein Großraumtaxi warten sollte. Die Dame mit dem Whisky Sour (war mir gleich sympathisch) ergreift beherzt das Wort: "Wir nehmen zwei Wagen".
Die Wagen sind nach drei Minuten da. Beim Hinausgehen, an der Garderobe, sagen mir die Damen: "Wir haben in der GQ über Sie gelesen, das Sie zu den 10 besten Bars der Welt gehören.... Das mußten wir uns unbedingt mal anschauen"
An diesem Abend hab ich gewünscht, die GQ hätte nie über uns geschrieben.
Es sind die Momente, in denen ich Charles verstehe ... man hätte gerne eine Auszeit...